Wie planen wir das Stromnetz der Zukunft?

Atomausstieg, massiver Zubau erneuerbarer Energien sowie ?ndernde wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen: der Wandel in der Stromwirtschaft ist in vollem Gang. Um ihn zu meistern, m¨¹ssen wir nicht zuletzt unsere ?bertragungsnetze anpassen. Denn nur mit einem stabilen Stromnetz k?nnen wir die Versorgungssicherheit auf dem heutigen hohen Niveau halten.

Vergr?sserte Ansicht: Strommasten und Windturbinen
(Bild: iStock.com / kflGALOR)

Strom ist das Lebenselixier unserer modernen Gesellschaft. Doch die Quellen und Techniken, die uns mit Strom versorgen, sind europaweit im Umbruch: Erneuerbare Energiequellen ¨C insbesondere Wind- und Photovoltaikanlagen ¨C ver?ndern das Preisgef¨¹ge und stellen Jahrzehnte alte Produktionsmuster grunds?tzlich in Frage. Davon betroffen sind auch unsere Stromnetze, die wir entsprechend umr¨¹sten m¨¹ssen. Zum einen gilt es, die ?bertragungsnetze an die sich ?ndernden Stromfl¨¹sse anzupassen. Zum anderen sollten wir die Verteilnetze um- und ausbauen, damit sie den dezentral produzierten Strom aus erneuerbaren Energiequellen aufnehmen k?nnen.

Vor diesem Hintergrund organisiert das Energy Science Center der ETH Z¨¹rich (ESC) zusammen mit der Renewables Grid Initiative (RGI [1]) am 18. Juni die Veranstaltung ?Das Stromnetz der Zukunft?. Doch warum organisieren wir dieses Jahr einen derartigen Anlass? Weil die Planung des Schweizer Stromnetzes ¨C wie auch die Energiepolitik ¨C an einem Wendepunkt steht.

Die Netzplanung in der Schweiz

Stromast
(Bild: Markus Grossalber / flickr)

Die nationale Netzgesellschaft Swissgrid entstand 2006 im Vorfeld der Strommarktliberalisierung. Seit 2009 betreibt sie das gesamte Schweizer Hochspannungsnetz. Effektive Eigent¨¹merin der Netzelemente ¨C also aller Masten, Leitungen, Transformatoren und Unterstationen ¨C wurde sie aber erst im Jahre 2013. Swissgrid ist demnach eine relativ junge Organisation, der von Gesetzes wegen hoheitliche Aufgaben zukommen. Die wichtigste ist, die Schweiz sicher mit Strom zu versorgen (Versorgungssicherheit). Dazu unterh?lt die Gesellschaft die ?bertragungsnetze, erneuert sie und plant deren langfristigen Ausbau.

Ende April dieses Jahres hat Swissgrid nun den Plan f¨¹r die weitere Entwicklung ihres Netzes bis 2025 vorgestellt (Bericht ?Strategisches Netz 2025? [2]). Anhand von Modellen analysierte sie daf¨¹r erstmals das gesamte Netz einheitlich nach technischen und wirtschaftlichen Kriterien. Ob nun ein Element (zum Beispiel eine ?bertragungsleitung) verst?rkt oder neu gebaut werden soll, h?ngt davon ab, ob der volkswirtschaftliche Nutzen insgesamt positiv ist. Das ist der Fall, wenn die summierten finanziellen Vorteile f¨¹r alle Akteure, Produzenten sowie Konsumenten die gesch?tzten Kosten ¨¹berwiegen. Dabei gilt es, die unterschiedlichsten Interessen gegeneinander abzuw?gen.

Warum muss das Schweizer ?bertragungsnetz ¨¹berhaupt ausgebaut werden?

Es gibt vier wesentliche Gr¨¹nde, das Schweizer Stromnetz zu erneuern:

1.       Die in der Schweiz geplanten Grosskraftwerke, insbesondere im Bereich Wasserkraft, erfordern zus?tzliche Netzelemente (?bertragungskapazit?t), da der dort produzierte Strom abtransportiert werden muss.

2.       Der internationale Stromhandel, bei dem die Schweiz eine wichtige Rolle spielt, hat in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Der Grund daf¨¹r liegt prim?r in den zunehmenden Preisdifferenzen innerhalb von Europa. Die entstehenden zus?tzlichen Stromfl¨¹sse bedingen neue Leitungen, vor allem in der Nord-S¨¹d-Achse.

3.       Produktionsanlagen f¨¹r erneuerbare Energien nehmen in der Schweiz voraussichtlich stark zu (insbesondere die Sonnenkraft). Das wirkt sich auf die Netzplanung aus, allerdings zeitlich verschoben. In einer ersten Phase werden die neuen erneuerbaren Energien das ?bertragungsnetz eher entlasten. Erst bei einem st?rkeren Ausbau, je nach Szenario ist dies ab 2035 der Fall, m¨¹ssten die Netze zus?tzlich verst?rkt werden, um den ?berschuss aus diesen Produktionsanlagen auch ¨¹ber das H?chstspannungsnetz abzutransportieren.

4.       Auch die steigende Nachfrage nach Strom beeinflusst die Netzplanung, allerdings eher moderat ¨C zumindest nach den heutigen Entwicklungsszenarien.

Mit der Ver?ffentlichung dieses Berichtes verfolgt Swissgrid mehrere Ziele: Zum einen muss sie dem Schweizer Strom-Regulator, der Elektrizit?tskommission ElCom, einen Mehrjahresplan f¨¹r den Netzausbau vorlegen. Zum anderen erhofft sie sich eine h?here Akzeptanz in der Bev?lkerung. Das ist wichtig, um die teilweise extrem langwierigen Bewilligungsverfahren zu verk¨¹rzen.

Unser Beitrag als Wissenschaftler

Aus wissenschaftlicher Sicht ist die zus?tzliche Transparenz  zu begr¨¹ssen. An der ETH Z¨¹rich besch?ftigen sich zahlreiche Forschungsgruppen mit verschiedensten Aspekten der ?bertragungsnetze: Dabei geht es um die Netzplanung und -optimierung, den effizienten Betrieb mit h?herem Anteil erneuerbarer Energien, aber auch um neue Netztechnologien wie die Hochspannungs-Gleichstrom¨¹bertragung. Da wir als Forscher sehr oft mit Simulationsmodellen arbeiten, sind wir auf die Netzbetreiber angewiesen. Sie k?nnen unsere Annahmen verifizieren und Resultate validieren helfen.

Zentral f¨¹r unsere Forschung sind immer auch Daten aus dem Netzbetrieb, beispielsweise zu den detaillierten Stromfl¨¹ssen im Netz. Nur so k?nnen wir unsere Modelle realistisch gestalten und Resultate produzieren, die den Netzbetreibern zugutekommen. Ziel muss es daher sein, noch mehr Daten verf¨¹gbar zu machen. Auch m?chten wir die Transparenz bei den verwendeten Modellen erh?hen. Das Energy Science Center der ETH Z¨¹rich will hier einen Beitrag leisten. Derzeit ist ein interdisziplin?res Team dabei, die notwendigen Grundlagen zu schaffen [3].

Langer Weg in die Stromzukunft

Vergr?sserte Ansicht: Strommasten
(Bild: Mustafa Khayat / flickr)

Die Aufgabenliste f¨¹r die n?chsten Jahrzehnte ist lang: H?chstes Gut ist die Versorgungssicherheit, die wir in einem sich massiv ver?ndernden Umfeld gew?hrleisten m¨¹ssen. Dann brauchen wir neue Marktmodelle, die einerseits den Bed¨¹rfnissen der Produzenten ¨C zentrale wie auch dezentrale ¨C gerecht werden, andererseits ein effizientes Netz mit einem moderaten Ausbau erm?glichen. Zudem gilt es in Zukunft, das Zusammenspiel zwischen dem ?bertragungsnetzbetreiber Swissgrid und den ¨¹ber 600 Verteilnetzbetreibern in der Schweiz neu zu ¨¹berdenken.

Diese Themen werden wir auch an der Veranstaltung ?Das Stromnetz der Zukunft? am 18. Juni diskutieren. Es erwarten Sie spannende Experten-Referate und eine Podiumsdiskussion. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme. Zudem findet parallel dazu vom 16. bis am 19. Juni in der ETH Haupthalle die Grid Expo statt. Diese Ausstellung erm?glicht einen Einblick in die wissenschaftlichen Arbeiten der ETH Z¨¹rich im Bereich der Stromnetze sowie einen ?berblick ¨¹ber die neuesten technologischen Entwicklung bei den Netzinfrastrukturen.

Weiterf¨¹hrende Informationen

[1] Renewables Grid Initiative (externe SeiteRGI)

[2] Bericht ?Strategisches Netz 2025?, externe SeiteMedienmitteilung Swissgrid, 30.4.2015

[3] ESC Forschungsprojekte: ?berblick

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